Blog zum Heilsein, Ganzsein,
Gesundsein

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Keine Angst mehr haben

Ein Leben mit Angst ist einfach nichts wert – das ist zumindest meine Meinung. Wenn jede freudvolle Minute nur geborgt erscheint und immer eine Drohung im Raum steht, was soll das für eine Lebensqualität sein? Auch muss dann alles in Kauf genommen werden, was vermeintlich für das Weiterleben hilft, egal wie schmerzvoll und langfristig zerstörerisch es ist. Echte Freiheit, auch Entscheidungsfreiheit, ist nur ohne Angst möglich. Ich meine diese letzte, diese ganz große Angst vor dem Tod, die sich hinter so vielen anderen Ängsten verbirgt. Erst wenn tief drinnen der Tod als spannendes Erlebnis wahrgenommen werden kann, auf das man sich freut und das mit Gleichmut betrachtet wird, ist die Arbeit getan. Sich diese Wahrnehmung immer wieder bewusst zu machen, ist eine dauerhafte Aufgabe.

Als ich zwei Jahre nach meiner Brustkrebserkrankung wieder einen Termin zur Mammographie hatte, kam die alte Angst noch einmal mit großer Wucht zurück. Was, wenn ich mit meinen ganzen Erkenntnissen falsch gelegen hatte? Wenn ich mein Leben noch nicht genug geändert hatte?

Byron Katie hat auf ihrem Arbeitsblatt „Beurteile deinen Nächsten“ ganz am Ende eine Umkehrung eingefügt, die zunächst absurd aussieht. Aus dem Satz: „Ich will nie wieder erleben, dass …“ wird: „Ich freue mich darauf, wieder zu erleben, dass…“. Am Abend vor meinem Termin machte ich The Work mit dem Gedanken: „Ich habe Angst, dass ich wieder in der Situation bin, in der mich eine Ärztin mitleidsvoll anschaut und mir sagt, dass ich einen Tumor habe“. Vor allem quälte mich an der Vorstellung, dass ich dann wieder all diese schlimmen Gefühle auszuhalten hätte wie bei der ersten Diagnose, noch mehr jedoch, wie verheerend das für meine Familie wäre. Bei meiner Work verwendete ich dann diese Formulierung aus dem Arbeitsblatt. „Ich freue mich darauf, dass mir eine Ärztin wieder sagt, dass ich einen Tumor habe“. Am nächsten Morgen ging ich spazieren und füllte diese Aussage mit Leben, indem ich Gründe dafür fand, dass diese Aussage wahr ist. Als ich in die Praxis ging, war ich entspannt und ruhig. Hätte die Ärztin mir gesagt, dass ein neuer Tumor da ist, hätte ich ihr aus voller Seele sagen können: „Sehr schön. Ich danke Ihnen für diese gute Nachricht“.

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Der Körper als Botschafter der Seele

Ich hatte früher immer Schwierigkeiten, die Konzepte von Verstand, Geist, Seele und Psyche zu sortieren – zu vieles wird synonym verwendet. Besonders verwirrte mich, welche Rolle der Körper hier haben sollte. Obwohl die Theorie der Psychoanalyse transparent gemacht hat, dass es psychosomatische Symptome gibt, bei denen sich im Körper etwas spiegelt, das von der Psyche herrührt, bleibt der Körper bei der „Talking Cure“ auf der Strecke. Ich konnte Jahre der Psychoanalyse bequem damit verbringen, meinen Körper zu verachten und zum Teufel zu wünschen, allein die Ratio und Intellektualität hatten für mich einen Wert.

Es ist wohl ein verbreitetes Phänomen, dass dem Verstand sehr viel Vertrauen entgegen gebracht wird, weil Logik eine (vermeintliche) Kontrolle über das eigene Leben verspricht. „Verstandes-Entscheidungen“ waren lange Zeit in der gesellschaftlichen Wertung deutlich positiver beurteilt als „Bauch-Entscheidungen“, die eher als gefühlsduselig und irrational gewertet wurden. Dem Körper fühlen sich zudem viele Menschen ausgeliefert, er scheint Dinge zu tun, die nicht beherrschbar und kontrollierbar sind. Er ist auch, wie er ist, und dient als Gradmesser für den Vergleich mit anderen und die Bewertung, die sich bei den meisten Menschen als Abwertung äußert.

Dieses Abgeschnittensein vom Körper war für mich jahrzehntelang Programm. „In der Kurzformel ‚sich ausblenden‘ bzw. ‚den Körper ausblenden‘ sind drei verschiedene Aussagen zusammengefasst: dem Körper die Aufmerksamkeit entziehen; sich gegen ihn entscheiden; seinen Signalen keine Beachtung schenken. Abhängig davon, wie stark Sie von sich selbst abgeschnitten sind, wartet der Körper dann mit immer massiveren Reaktionen auf, wie: Freudlosigkeit, verminderte Vitalität, Unwohlsein, Benommenheit und Schmerz“, schreibt Deepak Chopra in seinem Buch „Heilung“ (im Original: „Reinventing the Body, Resurrecting the Soul“). In dieser Trennung ist vielleicht auch die Erklärung zu finden, warum so viele Menschen heute bei den Anforderungen, die das (Berufs-)Leben stellt, über ihre Grenzen hinaus gehen.

„Ihr Körper aber spürt es immer, wenn ihm keine Beachtung geschenkt wird oder er in einem unvorteilhaften Licht wahrgenommen wird. Dem Körper keine Beachtung zu schenken ist allerdings für die meisten Menschen zur Gewohnheit geworden. Bedenkenlos wird er über Gebühr belastet und strapaziert – ist es nicht einfach so, dass wir heutzutage im Leben starkem Stress ausgesetzt sind, der sich unserer persönlichen Kontrolle entzieht?“, fragt Chopra. Sich auf den eigenen Körper einzustimmen ist aus seiner Sicht der Weg, um rechtzeitig zu spüren, dass etwas nicht stimmt, bevor der Körper zu drastischeren Maßnahmen greifen muss. Achtsamkeit ist der Schlüssel dazu.

Die Darstellung von Chopra brachte für mich erstmals echtes Licht in die Angelegenheit und nannte Gründe, den Körper wertzuschätzen und anders wahrzunehmen. „Wir müssen unseren Körper neu erfinden. Erst der Körper ermöglicht Ihnen ein sinnvolles Leben. Ohne ihn können Sie nichts erleben, keinerlei Erfahrung machen. Daher sollte auch Ihr Körper Bedeutung tragen und von Sinn erfüllt sein“, schreibt Chopra. Diesen Sinn sieht er in der Verbindung von Körper und Seele.

„Tatsächlich sind Seele und Körper durch ständige Rückmeldungen jederzeit miteinander verbunden. Die vermeintliche Trennung zwischen beiden ist lediglich unsere Erfindung. [..] Jede Aktivität der Seele wird in einen körperlichen Prozess umgesetzt. Darin besteht das in Vergessenheit geratene Wunder: Die unsichtbare, der materiellen Welt scheinbar so ferne und von ihr getrennte Seele ist im Grunde der Schöpfer der Körpers“, so Chopra.

Übung für den Kontakt zum Körper

  • Die Augen schließen und mit der Aufmerksamkeit in die Bauch- oder Herzgegend gehen.
  • Dem Verstand kurz sagen, dass er jetzt eine wohlverdiente Pause machen darf und ihm für all seine Arbeit danken.
  • In den Körper hinein fühlen. Es kann sein, dass eine leichte Übelkeit hochkommt oder ein aufgeregtes Gefühl im Bauchraum.
  • Tief atmen und weiter spüren, was an Gefühlen kommt.
  • Diesem Bereich im Körper sagen, dass Sie die Aufregung und die anderen Gefühle wahrnehmen und sie ok sind.
  • Wenn die Gedanken wandern, wieder mit der Aufmerksamkeit zurück kehren.
  • Solange mit der Aufmerksamkeit im Bauchraum verweilen, bis ein Gefühl von Entlastung Frieden, vielleicht auch Heiterkeit eintritt.
  • Dann langsam wieder zurückkehren.

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Legitimation des eigenen Wegs

Ich finde es überraschend, dass viele Menschen sofort auf die Barrikaden gehen, wenn nach psychosomatischen Hintergründen von Krebs gefragt wird. In Gesprächen ergibt sich sehr schnell der Vorwurf: „Das heißt dann ja, die Leute sind selbst schuld an ihrer Krankheit“. In Foren werden Menschen, die sich nach den Gründen für ihre Krankheit fragen und sich für alternative Heilmethoden interessieren, oft sehr massiv angegangen und niedergemacht. Wer sich gegen eine Chemotherapie entscheidet, muss damit rechnen, für verrückt gehalten zu werden. Die Schulmedizin gilt als Ultima Ratio, individuelle Wege werden mit viel Misstrauen bedacht. Das ist letztlich kein Wunder – schließlich fühlt es sich nicht gut an, selbst die Qualen der schulmedizinischen Behandlung zu ertragen und das dann gleichzeitig in Frage gestellt zu sehen. Zugleich gibt es eine tiefe Sehnsucht, sich auf seinen Arzt und die Rettung von außen zu verlassen. Krebs als Schicksal zu sehen, das einem widerfährt, einfach so, ohne tieferen Grund – das ist eine Sichtweise, die viele Menschen vorziehen. Diese Sichtweise nimmt nur leider das gute und machtvolle Gefühl, dass wir unsere Gesundung und Gesundheit selbst in der Hand haben.

Krebs als Chance

Wenn wir dafür offen sein können und uns trauen, den Krebs als einen Hinweis und ein Symptom zu sehen, haben wir die Karten in unserer Hand – auch wenn das vielleicht zunächst beängstigend ist. Krebs kann ein Wegweiser sein, dass man sich auf seinem Lebensweg verirrt hat. In der Regel geht einer solchen Erkrankung eine lange Zeit der Erschöpfung voraus. Verluste durch Tod und Trennung, stark empfundenes Verantwortungsgefühl, Auseinandersetzungen in der Beziehung, durch Mobbing oder Streitigkeiten, finanzieller Überlebenskampf: Es ist meist ein Potpourrie aus Erfahrungen, die zu einem Zustand von Ausgelaugtheit, Erschöpfung und zunehmender Freudlosigkeit führen. Eine Therapeutin im St. Gertrauden-Krankenhaus sagte mir: In der langen Zeit, während der sie jetzt schon mit krebskranken Frauen zu tun hat, ist ihr eigentlich noch keine begegnet, die nicht einen persönlichen Hintergrund für ihre Krankheit nennen konnte – vom anhaltend stressvoll geführten Berufsleben bis hin zu jahrelangen Beziehungskämpfen.

Jeder Mensch trägt Krebszellen in seinem Körper. In der Regel werden sie vom Immunsystem in Schach gehalten, so dass es zu keiner Erkrankung kommt. Ist das Immunsystem dauerhaft im Keller – anhaltender Stress, Trauer, Unfrieden beeinflussen die Körperabwehr negativ – steigt die Anfälligkeit für Krankheiten.

Schuldkonzepte gehören in den Müll

Bei diesem selbstbestimmten Blick auf Krankheit geht es nicht um Schuld. Schuld ist ein sinnloses Konzept, mit dem sich manche Menschen ein Leben lang quälen. Schmerzvolle Gedanken ändern jedoch nichts an der Realität, sie machen nur das Leben ungeheuer anstrengend.

Es wäre wohl absurd, die Dinge, die einem Menschen widerfahren und die Grundlage für eine Krankheit bilden, als „eigene Schuld“ zu bezeichnen. Genauso wenig lässt sich ableiten, dass es die eigene Schuld sei, nicht gesund zu werden. Es kommt völlig auf den Erfahrungshorizont eines Menschen an, ob er seine Krankheit überhaupt in dieser Weise als Chance wahrnehmen kann. Unsere Kultur lehrt uns die Idee der Selbstheilungskräfte und des Lebens im Einklang mit uns selbst nicht gerade in der Schule.

Es wäre schön, wenn dieser neue, selbstbestimmte Blick auf Krankheit entkoppelt wird von der Schuldfrage – und die Idee, auf Spurensuche zu gehen und schrittweise die Dinge aufzulösen, die zu Erschöpfung und Anstrengung beigetragen haben, von vielen Menschen als selbstverständlich betrachtet werden könnte. Die Überprüfung von Gedanken mit The Work hilft dabei, sich von schmerzhaften Überzeugungen zu verabschieden und das Leben so einzurichten, dass es leichter und spielerischer wird.

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Make Love, not War

Wann hat Krieg schon jemals etwas gebracht? Krieg fordert Opfer, Verluste, Schmerz, Trauer. Wer sich mit Lektüre zu Krebs beschäftigt, wird jedoch immer wieder ad nauseam über die Formulierung stolpern, der Krebs sei zu „bekämpfen“. Das ist auch die These der meisten Mediziner. Klassischerweise wird der Tumor als fieser Eindringling wahrgenommen, der sich in den Körper geschlichen hat, um ihn nach und nach zu zerstören. Kein Wunder also, dass es legitim ist, ihn mit den schlimmsten vorhandenen Waffen anzugreifen: Zellen werden durch die Chemotherapie vernichtet und durch Bestrahlung getötet. Die Absurdität, dass sich die Gewalt gegen den gesamten Körper richtet, wird dabei in Kauf genommen, denn die Zerstörung des Tumors hat oberste Priorität. Hier bin ich, da ist der feindliche Tumor, es gibt eine klare Zweiteilung in der Wahrnehmung. Und es ist fair zu sagen, dass die Vernichtungen, die die Schulmedizin bei diesem Krieg im Körper anrichtet, wahrhaftig verheerend und anhaltend sind. Vieles ist ein heftiger Übergriff auf den Körper und erzeugt Traumata, die in der Regel komplett unter den Tisch fallen und mit denen die Betroffenen allein klarkommen müssen – weil es ja sein musste, um zu überleben.

Ich habe dabei mitgemacht, obwohl mir dieses Denken von Anfang an falsch erschien. Meine Erfahrung ist, dass nur Frieden ein Gefühl von Heilsein bringen kann, niemals Krieg. In den ersten drei Monaten Chemotherapie gingen meine weißen Blutkörperchen über Gebühr in den Keller. Hätte ich einen Infekt bekommen, hätte ich daran sterben können. Dann bekam ich eine Thrombose im Oberarm – seitdem ist mein Dekolleté nicht mehr das, was es mal war, sondern vielmehr von Adern durchzogen. Ein auf Ports spezialisierter Arzt sagte mir dann, dass die Wahrscheinlichkeit, eine Thrombose zu bekommen, bei 25 Prozent liegt: wenn man eine Chemotherapie macht und eine Tumorerkrankung sowie einen Port hat. Dann bin ich zum Glück wütend geworden. Ich beendete die Chemotherapie nach drei Monaten, statt noch weitere drei Monate durchzuhalten. Ich entschied mich gegen die Bestrahlung, aber dafür, Herzeptin (mit weniger Nebenwirkungen) zu nehmen. Eines Tages im Mai saß ich auf der Hollywoodschaukel im Garten. Ich musste mich entscheiden, ob ich eine Antihormontherapie machen will, die unzählige Nebenwirkungen hat. Und da wurde mir etwas klar: Ich hatte wirklich keinerlei Lust mehr auf das Leben, das ich gelebt hatte. Absolut zweifelsfrei überhaupt nicht. Es war ein Leben der Vernunft, der Verpflichtung und Verantwortung. Ich hatte mich an eine so kurze Kette gelegt, dass mein Leben einfach gar keinen Spaß und keine Freude mehr machte. Ich wollte nicht mehr. Punkt. Dann dämmerte mir, was ich mir da gerade eingestanden hatte. Wenn ich nicht mehr (so) leben wollte, dann hatte mein Körper vielleicht einfach nur meinen Wunsch erfüllt. Treu und sorgend, wie er ist, fing er also an, sich selbst auszulöschen. Caramba!

Krebs ist genauso Teil des Körpers wie das Herz. Es ist unmöglich, dass der Körper selbst ein Feind sein kann, weil der Körper das Zuhause unseres Seins, unserer Seele ist. Es fühlt sich ungleich besser an, den Krebs als Freund zu betrachten. Ein Freund, der sieht, dass wir in die Irre gegangen sind und uns selbst schaden, und der jetzt, weil wir vorher nicht auf ihn gehört haben, zu wahrhaft drastischen Mitteln greift – in der Hoffnung, dass wir endlich verstehen. Erst Freundschaft und Liebe zum eigenen Körper machen es möglich, so glücklich zu leben, dass es nicht mehr nötig ist, zu sterben.

(Nachsatz: Das soll kein Plädoyer gegen die Schulmedizin sein. Die Entscheidung, solche Mittel in Anspruch zu nehmen, muss aber nicht mit der Kriegsmetapher verknüpft sein. Es kann auch heißen, dass man Zeit kauft, um dann in Ruhe den Dingen auf den Grund gehen zu können. Zugleich ist es wichtig, Körper und Seele mit der Behandlung und ihren Folgen auszusöhnen.)